Nikola Tesla - Entdecker, Erfinder und Visionär

1856 Kroatien -1943 New York

Nikola Tesla ist eine Entdeckerpersönlichkeit, die schon zu Lebzeiten weltberühmt war und sehr gegensätzliche Reaktionen bei den Menschen ausgelöst hat. Man spürt das auch noch 100 Jahre später bei denen durchaus um Objektivität bemühten Biographen. Von absoluter Bewunderung des Publikums und der Fachwelt für seine unzähligen Erfindungen, für seine an Magiertum grenzende Fähigkeit zur Präsentation seiner Erfindungen und für seine visionären Ideen, die der Zeit um Jahrzehnte voraus waren, bis zur Ablehnung seiner exzentrischen Persönlichkeit und der auf die Vernichtung seines Rufs und seiner Erfindungen zielenden Aktionen durch Konkurrenten wie Edison, dem es um die Vorherrschaft seines Konzerns ging, und durch Wissenschaftler, die ihn nicht ernstnahmen, aber um seinen Ruhm und seine Genialität beneideten. Dass er einer der bedeutendsten Erfinder und Entdecker war, die das elektrische Zeitalter und die Elektrowissenschaft begründet haben, war über lange Jahre zumindest in Europa nur Fachleuten bekannt. Das mag auch daran liegen, dass er selbst tragischerweise dazu beitrug seinen Ruf zu ruinieren, indem er mit Beginn des 20.Jahrhunderts die Idee der drahtlosen Übertragung von Elektrizität von einer Sendestation an jeden Punkt auf der Erde trotz beständiger Misserfolge weiter betrieb, was von Physikern immer noch als unmöglich bewertet wird. Er versuchte sogar Energie durch die Erde zu leiten und ein "Welt-System" der drahtlosen Übertragung zu entwickeln (Tesla, S. 81). Mit der Übertragung von dem, was er damals Radiowellen nannte, hat es inzwischen geklappt, mit der drahtlosen Übertragung von Energie noch nicht. Aber wer weiß, auch das Abbe'sche Gesetz wurde hundert Jahre später von Stefan Hell widerlegt, Forscher in aller Welt arbeiten derzeit daran:


Die Übertragung durch die Luft funktioniert mit Radiosignalen, aber diese von Hertz und Maxwell entdeckten elektromagnetischen Wellen können nicht so viel Energie übertragen, sagen seine Kritiker, dass sie auf der anderen Seite des Globus mithilfe eines Empfängers, wie er sich vorstellte, Autos, Bahnen oder große Maschinen antreiben können. (Bührke, S.62 und 81 und Cheney, die weitere Physiker zitieren, S.348) Am 4.8.2023 berichtet die Neue Züricher Zeitung, dass ein weiterer Versuch der drahtlosen Übertragung von Energie, die aus Sonnenlicht mithilfe von Solarzellen auf Satelliten im All erzeugt wurde, auf Antennen wenn auch über geringe Entfernung gelungen ist. Amerikanische Forscher der ESA arbeiten derzeit daran, Energie von Satelliten mit leistungsstarken Lasern auf die Erde zu übertragen. NZZ vom 4.8.2023: Solarkraftwerke im Weltraum: "Eine utopische Idee nimmt Gestalt an" von Karl Urban.

Man kann sagen, dass er nach der Entdeckung des Induktionsmotors 1882, der Karriere in Edisons Firma in Europa und der Übersiedlung nach Amerika eine erstaunliche Karriere als Entdecker und Erfinder gemacht hat, er wurde von der Fachwelt und der Öffentlichkeit gewürdigt und gefeiert. Das Ende dieser erfolgreichen Phase wird m.E. durch das Scheitern des Wardencliff Towers 1906 eingeleitet, eines 'weltweiten Systems der Informationsübertragung', das Dienste wie Nachrichten über Radio, Funktelefon u.a. anbieten und auch der Übertragung von Energie dienen sollte. Dieses Projekt scheiterte aus finanziellen und aus Gründen der technischen Realisierbarkeit. Er arbeitete immer weiter an seinem 'Welt-System', während die Öffentlichkeit und auch die Fachwelt sich nach dem Ende des ersten Weltkrieges immer stärker von dem zunehmend eigenartiger werdenden Tesla und seinen Ideen abwendet. Außerdem versuchte er in seiner zweiten Lebenshälfte mit intelligenten Wesen im Weltall zu kommunizieren. Das Leben auf dem Mars war damals ein Thema von öffentlichem Interesse, sogar Ingenieure gründen parapsychologische Gesellschaften und suchen seinen Rat (Tesla, S.105). Er war allerdings überzeugt, dass man kosmische Energie für die Stromerzeugung nutzen könnte, was alles dazu führte, dass er bis in die heutige Zeit eine Anhängerschaft von Esoterikern bekam und hat, von deren Theorien er sich abgrenzte, "es gibt keine Grundlage für spirituelle und übersinnliche Phänomene"(Tesla, S.107), was ihm aber nichts nützte und seinem Ruf in der Fachwelt nicht gut tat. Er arbeitet in den 20er und 30er Jahren immer weiter an Erfindungen, hatte aber nicht mehr die Ausstattung, um seine Ideen experimentell zu überprüfen und stirbt nahezu vergessen und einsam 1943.
Unter anderem durch zwei junge Erfinder, die die ersten Elektroautos bauten und ihre Firma, die später von Elon Musk aufgekauft wurde, nach Tesla benannten, wurden sein Name und seine Leistungen der Öffentlichkeit hier wieder bekannter.

Das Foto zeigt die Titelseite der Zeitschrift „Electric Experimenter“ vom Januar 1919, die seine Autobiographie „My Inventions“ in drei Teilen druckte. Das Foto stammt aus der von Iwona Rudinska erstellten und editierten „The Tesla Collection“ von Zeitschriftenartikeln. http://www.teslacollection.com

An seiner Entdeckerbiografie sind die Triebkräfte des Entdeckens und Erfindens, seine revolutionäre Umorientierung von Materie auf Energie als Untersuchungsobjekt, sein wie ich es genannt habe "Ideenrausch“, der beständigen Strom von Einfällen, der zu Hunderten von Entdeckungen geführt hat, bemerkenswert wie auch seine extrem ausgebildetes Talent, in der Vorstellungswelt zu arbeiten und zu erfinden. Weiterhin die Besonderheit, dass er in einem gleich starken Maße sowohl Entdecker wie auch Erfinder war, der in der Lage war, die Geräte zu bauen, die die von ihm entdeckten naturwissenschaftlichen Phänomene und Gesetzmäßigkeiten nutzen und demonstrieren konnten und zu verkäuflichen Produkten wurden. Als Gründer und Unternehmer war er weniger begabt und erfolgreich, sein Glück bestand im Entdecken und Erfinden, was ihn beständig in finanzielle Nöte und Abhängigkeiten von Geldgebern brachte. Die Zweiteilung der Karriere in eine Phase des Erfolgs und eine des Scheiterns, nimmt man die Bewertung der Öffentlichkeit und die Fachöffentlichkeit als Maßstab, verursacht durch eine für sie fragwürdige Grundannahme und die Veränderungen seiner Persönlichkeit, gehört auch zu den Besonderheiten dieser Entdeckerkarriere.

Eine Darstellung seiner Biografie findet sich auf Wikipedia
https://de.wikipedia.org/wiki/Nikola_Tesla
Seine kurze und lesenswerte Autobiographie „Meine Erfindungen“ ist eine Übersetzung der 1919 im "Electric Experimenter" veröffentlichten Artikelserie „My Inventions“.
Eine auch für Laien empfehlenswerte kurze, objektive und fachlich versierte Beschreibung und Bewertung seiner wesentlichen Entdeckungen, Erfindungen und Patente kann man auf der Webseite des Deutschen Marken- und Patentamtes nachlesen. Bilder seiner Erfindungen, Technische Zeichnungen und die originalen Patentbeschreibungen vermitteln Interessierten eine Vorstellung und Experten Daten und Fakten.
https://www.dpma.de/dpma/veroeffentlichungen/meilensteine/besondereerfinderinnen/nikolatesla/index.html

Die folgenden Kommentare, die Bezug nehmen auf die in den sieben vorigen Menüpunkten vorgestellten Modellen, Triaden und Typologien des Entdeckens und der Entdecker sind grau hinterlegt. Auf die Merkmale des von mir entdeckten Karriereankers z.B.: (Merkmal 4) beziehen sich die Zahlen in Klammern. Hier der Link zum Nachlesen und Abgleichen
Der Entdeckeranker - Merkmale von Entdeckerkarrieren

Die Triebkräfte des Entdeckens

Nikola Tesla macht seine Entdeckungen und Erfindungen Ende des 19. Jahrhunderts, einer Zeit, in der die Industrialisierung in vollem Gange ist. Maschinisierung und Mechanisierung von Produktionsvorgängen, die Entwicklung der Infrastruktur für die Distribution der Waren durch Straßen und Eisenbahnbau und die Notwendigkeit Kommunikationsmedien zu schaffen, die über große Distanzen hinweg diese Prozesse unterstützen können, kennzeichnen diese Epoche. Der Energiebedarf steigt plötzlich massiv an und es stellt sich zusätzlich das Problem, wie man Energie über längere Strecken transportieren kann. Es gibt noch keine Elektrifizierung, keine Stromleitungen über größere Entfernungen und auch noch keine drahtlose Übertragung von Radiowellen.

Im Gegensatz zu den Erfindern, die sich mit Materie und der Bewegung von Materie beschäftigen, interessiert sich Tesla von Anfang an für Energie, die im Gegensatz zu Materie unsichtbar ist. Weder Elektrizität, noch Radiowellen oder Frequenzen sind damals hinreichend erforscht, um sie nutzbar machen zu können. Während seines Ingenieursstudiums, das er 1875 in Graz beginnt, entwickelt er eine Faszination für elektrische Maschinen und düpiert seinen Professor für Physik mit der Behauptung, dass ein Gleichstromapparat - Die Gramme Maschine, die als Motor und Generator genutzt werden konnte und eine absolute Novität darstellte - besser mit Wechselstrom laufen würde (Cheney S.36). Er muss aus finanziellen Problemen und sicher auch, weil er es sich mit den Hochschullehrern durch seine „unmöglichen Ideen“ gründlich verdorben hatte, die Polytechnische Schule ohne Abschluss verlassen.

Diese frühe Idee wurde zur Triebkraft für die Entwicklung eines Wechselstrommotors, dessen bahnbrechende Erfindung und Entwicklung ihm sechs Jahre später gelang (Merkmal 1). In Teslas Karriere zeigen sich schon hier noch weitere Merkmale von Entdeckerkarrieren: Er stellt die Grundannahmen der Disziplin oder eines ihrer Fachgebiete infrage (Merkmal 7), lehnt die Regeln und die Kultur der auf Bewahrung ausgerichteten Institution ab (Merkmal 9), wird wiederum von deren Repräsentanten abgelehnt (Merkmal 10). Überdies zeigt er einen übergroßen und besorgniserregenden Arbeitseifer (Merkmal 2), er studiert vier Fächer: Mathematik, Chemie, Geologie und Sprachen und besteht neun Prüfungen im ersten Studienjahr. Sein Gesundheitszustand veranlasst die Hochschule, seinem Vater zu schreiben, der ihn nicht wie Tesla erwartet, hocherfreut beglückwünscht, sondern die Leistung herunterspielt, was Tesla, der von dem Brief nichts weiß, sehr kränkt.

Dass er sich in den Ingenieurswissenschaften und der Physik nun ausgerechnet für elektrische Energie interessiert, hat meines Erachtens Ursachen, die in seiner Biografie und Physis zu finden sind und zu Triebkräften seiner Erfinder- und Entdeckerkarriere wurden. Die folgenden Zitate wurden im Menüpunkt "Triebkräfte" schon einmal als Beispiel verwendet. Dort finden Sie ein Modell der Triebkräfte und Erläuterungen dazu, was hier darunter verstanden wird.
Triebkräfte

“In meiner Kindheit litt ich an eigenartigen Beschwerden, bei denen mir oft von Lichtblitzen begleitete Bilder erschienen, die meine Sicht auf reale Dinge behinderten und mein Denken und Handeln beeinträchtigten. Es waren Bilder von Dingen und Vorgängen, die ich wirklich gesehen hatte und niemals von solchen, die ich mir nur eingebildet hatte. Wenn man mir ein Wort sagte, erschien das Bild dieser Sache lebendig vor meinen Augen und manchmal war ich nicht in der Lage zu unterscheiden, ob man das, was ich sah, anfassen konnte oder nicht. Dies erzeugte in mir großes Unwohlsein und Angst.“ (Tesla, S.13)

„Ich war ungefähr zwölf Jahre alt, als es mir erstmals gelang, ein Bild durch bewusste Bemühungen zu verdrängen, aber ich hatte nie irgendeine Kontrolle über die Lichtblitze, die ich beschrieben habe. Sie waren meine seltsamste Erfahrung und unerklärlich. Manchmal habe ich die ganze Luft um mich herum in züngelnden Flammen gesehen.“ (Tesla, S.18)

In Paris arbeitet er in einer Fabrik und stellt nach einem Ausflug auf das Land mit frischer Luft folgende Reaktion seines Körpers fest: “Bei meiner Rückkehr in die Stadt empfand ich eine positive Wirkung auf mein Gehirn, als ob es Feuer gefangen hätte. Ich sah ein Licht, als sei eine kleine Sonne darin eingeschlossen, und ich verbrachte die ganze Nacht mit dem Auflegen von kalten Kompressen auf meinen gequälten Kopf. Schließlich verringerte sich die Häufigkeit und Stärke der Blitze, aber es dauerte mehr als drei Wochen, bis sie ganz aufhörten. (Tesla, S.18)“
„Diese Lichtphänomene hatte ich immer wieder, wenn zum Beispiel eine neue Idee meinen Kopf auftauchte, aber sie war nicht mehr verstörend und von relativ geringer Intensität."(Tesla, S.19)

Tesla vermutet, dass es sich um eine erbliche Vorbelastung handelt, da auch sein Bruder Lichtblitze wahrnahm, die seine Sehkraft in Momenten der Erregung behinderten. Nikola entwickelt Mechanismen, um diese bedrohlichen Phänomene kontrollieren zu können. Er trainiert seine Imaginationskraft, indem er andere Bilder erzeugt, die schließlich, wie er sagt, die Konkretheit der wirklichen Dinge annahmen:

„Ich entdeckte bald, dass es mir am besten ging, wenn ich einfach mit meiner Vision weiter und weiter ausholte, und so begann ich zu reisen, mit ständig neuen Eindrücken, natürlich nur in meiner Fantasie. (…) Das habe ich ständig wiederholt bis ich 17 Jahre alt war und mein Denken sich ernsthaft den Erfindungen zuwandte. Dabei bemerkte ich, dass ich mit größter Leichtigkeit mit meinem geistigen Auge sehen konnte. Ich brauchte keine Modelle, Zeichnungen, oder Versuche. Ich konnte sie als wirkliche Dimension in meiner Vorstellung sehen so habe ich mit der Zeit unbewusst etwas entwickelt, was ich als neue Methode der Materialisierung von Konzepten und Ideen betrachtet. (Tesla, S.15-16)

Seine Erfinder- und Entdeckertätigkeit hat ihre ihm vermutlich unbewussten Motive in dem Versuch, die Kontrolle über die Blitze zu gewinnen, indem er sie selbst erzeugt, sich ihrer zu bemächtigt, statt sie zu erleiden.

Er erzeugt mithilfe seiner Apparate elektrische Entladungen, die wie Blitze aussehen. Das folgende Foto ist eine Montage, er wohnt natürlich nicht dieser mehrere 1000 Volt starken Entladung direkt bei.

Nikola Tesla with his Equipment

Tesla in seinem Labor in Colorado Springs, Dezember 1899. Diese Aufnahme kam als Mehrfachbelichtung zustande: Während der Blitzentladungen befand sich Tesla nicht im Raum.
Photographer: Dickenson V. Alley Restored by Lošmi Title: Nikola Tesla, with his equipment
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nikola_Tesla,_with_his_equipment_EDIT.jpg

Anders als bei anderen Entdeckern liegen die Triebkräfte für die Entdeckung nicht in der Faszination durch Dinge in der Außenwelt, die ihre Vorstellungswelt anregen, sondern in ungewöhnlichen körperlichen Phänomenen, die Tesla antreiben, die Energie, die die Blitze erzeugt, zu verstehen und sie kontrollieren zu können. Teslas Entdeckerkarriere wird nicht durch soziokulturelle, sondern in erster Linie durch biogenetische Triebkräfte und in zweiter Linie durch subjektive wie Wille und Wissen angetrieben!

Seine Physis weist möglicherweise noch mehr Besonderheiten als die Produktion von Lichtblitzen auf. So kann er Strom mit hoher Voltzahl durch seinen Körper strömen lassen, ohne Schaden zu nehmen. Dieses Experiment zeigt er in seinem Labor ausgewählten Gästen wie Mark Twain, die um seine Silhouette herum einen Halo, einen Lichthof sehen, kleine Lichtpunkte, die wie Flammen aus seinem Körper herauszucken. "Der junge Mann ist buchstäblich ein lebender Elektrodraht." sagt einer der Gäste (Cheney S.20). Tesla tut das als Spielerei ab und erklärt, dass hohe Voltzahlen auf der Oberfläche der Haut keine Verletzungen verursachen, während Niedrigstrom, der unterhalb der Haut fließe, töten könne (Cheney, S. 21). Diese Demonstration wird mit einem Bild von Tesla zum Aufmacher für Zeitschriften und trägt zu seinem Ruhm bei.
Vermutlich ist Tesla überdies hochsensibel: "Mein Sehen und Hören waren immer außergewöhnlich. Ich konnte Gegenstände in der Ferne deutlich wahrnehmen, wenn andere überhaupt nichts sahen.(...) Im Jahr 1899, als ich jenseits der 40 war und meine Experimente in Colorado fortsetzte, konnte ich klar Donnerschläge aus einer Entfernung von 550 Meilen hören. Die Hörgrenze meiner jungen Mitarbeiter war aber kaum weiter als 150 Meilen." (Tesla, S.53). Er beschreibt noch zahlreiche weitere Phänomene seiner "Nervenkrankheit", die von Ärzten und Psychologen zu seinem Bedauern nicht verstanden wurde und als unheilbar galt.

Die Abbildung des Artikels "Our foremost Electrician" aus der Zeitung "The World" von 1894 stammt ebenfalls aus der von Iwona Rudinska erstellten und editierten „The Tesla Collection“. http://www.teslacollection.com

Revolutionäre Entdeckungen und Erfindungen

Spiegelung zwischen Entdecker und Entdecktem

Seine Fähigkeit sich selbst zu beobachten, seine über Jahre trainierte Vorstellungskraft hilft ihm Entdeckungen zu machen und in Erfindungen umzusetzen. Auch scheut er sich nicht davor, ungewöhnliche Selbstbilder zu entwickeln:

“ Mir wurde bald zu meiner Überraschung bewusst, dass jeder Gedankengang, den ich entwickelte, durch einen äußeren Eindruck erzeugt wurde. Nicht nur dieses, sondern all meine Handlungen wurden auf ähnliche Weise hervorgerufen. Im Laufe der Zeit wurde mir deutlich, dass ich ganz offensichtlich lediglich ein Apparat war, der sich bewegen konnte und von den Sinnesorganen gesteuert wurde, was ein entsprechendes Denken und Handeln bewirkte. Die praktische Folge war die Technik der Fernsteuerung, die bisher nur in einer unvollkommenen Weise vorhanden war. Die ihr innewohnenden Möglichkeiten werden jedoch allmählich sichtbar. Ich habe seit Jahren ferngesteuerte Geräte geplant, die sich so bewegen, als besäßen sie in einem begrenzten Umfang Vernunft, und die in der kommerziellen und industriellen Welt eine Revolution erzeugen werden.“ (Tesla, S.17-18)
Tesla erfindet Ende des 19. Jahrhunderts die Fernsteuerung und Vorläufer dessen, was wir heute als Roboter, er spricht von Automaten, bezeichnen würden, so fährt z.B. Beispiel das erste ferngesteuerte "Roboterschiff" 1897 auf dem Hudson River (Cheney, S. 156f.)

Ein Beispiel dafür, wie er in umgekehrter Weise eine Erfindung zur Selbstbeschreibung nutzt: Tesla spricht von "widersprüchlichen Gefühlen, die in meinem Kopf wie Kondensator-Oszillatoren brannten"(Tesla, S.66).

Vielleicht ist seine Fähigkeit sich selbst als Modell für das zu Entdeckende zu nehmen und sich im Entdeckten wieder zu finden, zu spiegeln, einer der Erfolgsfaktoren des Entdeckens, zumindest bei Tesla. Diese Fähigkeit ist vermutlich durch das Verstehen und Bearbeiten seiner körperlichen Besonderheiten entstanden. Aus dem Leiden an diesen körperlichen Phänomenen und dem Willen zu deren Beherrschung entwickelten sich seine innovativen Ideen und seine Entdeckungen.


Die Fähigkeit sich in anderen zu spiegeln und andere in sich zu spiegeln, kenne ich aus meiner jahrelangen Beratungstätigkeit. Wenn sich Professionals nicht mit ihren Klienten Patienten etc. identifizieren können, wenn Handwerker und Arbeiter ihr zu schaffendes Werk nicht emotional besetzen können und sich in ihm spiegeln können, wenn sich Manager nicht mit ihrem Unternehmen identifizieren, sich also von ihm in ihrem Selbstbild beeinflussen lassen und es gleichzeitig durch ihre Werte und Ideen prägen, wenn Wissenschaftler, z.B. Historiker nicht Teil der Zeit werden können, die sie untersuchen, in sie abtauchen können, dann sind alle diese Menschen anderen nicht hilfreich oder machen keine großen Entdeckungen. Dahinter steht unsere Annahme der Eigenschaft von Materie, sich in anderer Materie spiegeln zu können.

Margaret Cheney bestätigt diese Wechselwirkung, vermutlich ohne das Konzept der Spiegelung zu kennen. Die folgenden Passage bezieht sich auf das obige Zitat von Tesla: "Aus diesen Betrachtungen entwickelte der junge Tesla zwei Vorstellungen, die - auf ziemlich verschiedene Weise - für sein späteres Leben von Bedeutung sein sollten. Die ersten beinhaltete, daß Menschen adäquat als 'fleischliche Maschinen' anzusehen seien. Die zweite bestand darin anzunehmen, daß Maschinen für alle praktischen Zwecke menschengleich gemacht werden könnten. Die erste Idee hat vielleicht nicht dazu beigetragen, seine Geselligkeit zu fördern, aber die zweite führte ihn tief in die seltsame Welt dessen ein, was er 'Teleautomation' oder 'Robotik' nannte.(Cheney S. 33)

Visionäre Ideen

Was ihn auszeichnet ist, dass er sich von seinen Visionen leiten lässt, z.B. dass" Maschinen dazu gebracht werden (sollen, KRG), alles zu tun, was ein Mensch tun kann, einschließlich des urteilenden Handelns auf der Basis von Erfahrungen." (Cheney, S.33), worin die Menschheit mittlerweile ein ganzes Stück weiter gekommen ist. Oder die Vision natürliche und überall vorhandene Energie zum Wohle der Menschen nutzbar zu machen und dafür Apparate und technische Geräte zu erfinden, die die Speicherung, Umformung und Weiterleitung der Energie ermöglichen. Er erarbeitet Lösungen für nahezu alle Probleme, die mit elektrischer Energie zu tun haben, erfindet die ‚Teslaspule‘ (Transformator), mehrere Wechselstrommotoren und -transformatoren, also ganze Wechselstromsysteme, die den Gleichstrom, der nur über kurze Entfernungen transportiert werden konnte, ablösen werden, und erfindet einen Apparat zur Gewinnung von Solarenergie, die erst Jahrzehnte später relevant wird. "Tesla hält 1891 40 Patente auf Mehrphasenmotoren und -transformatoren und sein Stromverteilersystem" (Cheney, S. 360). Die erste je gezeigte Radioübertragung demonstriert er 1893 bei der "Electric Light Association in St. Louis".

Viele seiner Entdeckungen und Erfindungen sind der Zeit weit voraus, sie werden in ihrer Bedeutung nicht verstanden, geraten in Vergessenheit oder werden bekämpft von Konkurrenten, die die Ersetzung ihrer Systeme durch die neuen befürchten, zum Beispiel im sogenannten ‚Stromkrieg‘ mit Edison, wo es um die Ersetzung des von Edisons favorisierten Gleichstroms durch Wechselstrom ging. Man muss sich vorstellen, dass zu dieser Zeit die Städte und Häuser dunkel und unbeleuchtet waren, und Edison als cleverer bis verwegener Geschäftsmann versucht, das ganze Land zu elektrifizieren, was ihm mit Gleichstrom aber nicht möglich war. Wechselstrom und Teslas Apparaturen setzen sich erst durch, als George Westinghouse, ein Ingenieur und Unternehmer das Management und die Vermarktung übernimmt, während Tesla sich seinen nächsten Erfindungen zuwendet. Den Durchbruch bringt die Übernahme der gesamten Strom- und Lichtversorgung der Weltausstellung in Chicago 1983 mit Teslas System, die Westinghouse gemanagt hat, während Tesla die technische Ausführung übernimmt.

Teslas Karriere hätte vermutlich nicht diesen erfolgreichen Aufschwung genommen, wenn nicht jemand mit Qualifikationen und Leidenschaften, die der Erfinder nicht hat, mit ihm eine Kooperation eingegangen wäre (Merkmal 5). Westinghouse war auch Ingenieur, was ihm vermutlich die Akzeptanz von Tesla einbrachte, aber eben auch ein guter Unternehmer und Manager, der sich im 'Stromkrieg' gegen Edison durchzusetzten vermochte.

Die stärkste visionäre Kraft steckt m.E in seinem "Welt-System der drahtlosen Übertragung", einer Kombination verschiedener Entdeckungen, die er in seiner experimentellen Forschung gemacht hat. Der von vom ihm beschriebene Nutzen dieses Systems liest sich heute wie eine Beschreibung der kommunikativen Medien, die wir in unserer Informationsgesellschaft tagtäglich nutzen (Tesla S.84-85).

Durchsetzung radikaler Innovationen

Tesla schreibt über die Schwierigkeiten, die die Durchsetzung radikaler Innovationen erzeugen: "Meine Maschine ist ein Fortschritt in dem Sinne, dass ihr Erfolg eine radikale Abkehr von antiquierten Antriebssystemen war, in die Milliarden von Dollar investiert worden sind. Unter solchen Vorbedingungen muss der Fortschritt langsam sein und das größte Hindernis, dem man sich gegenüber sieht, sind die Vorurteile in den Köpfen der organisierten Opposition." (Tesla, S.73-74) Gemeint ist der Induktionsmotor, seine bedeutendste Erfindung.

Tesla beschreibt hier die Folgen von Entdeckungen und Erfindungen, die die Grundannahmen einer Disziplin infrage stellen (Merkmal 7) und überdies auch noch durch das Überschreiten der Grenzen der Disziplin entstanden sind (Merkmal 8.).

Um mehrere der von Tesla angemeldeten Patente gibt es Rechtsstreitigkeiten, wie auch um Erfindungen; z.B. mit Guglielmo Marconi, der für seine Erfindung des Radios mehrere von Teslas Patenten nutzte, ohne die Lizenz dafür zu haben und deren Verwendung auch nicht kenntlich macht. Er kannte Teslas Vorträge über die Erfindung des Funks, wie Radio damals genannt wurde, und wusste von Teslas Demonstration drahtloser Übertragung elektromagnetischer Wellen zwischen einem Sender und einem Empfänger, die drei Jahre vor der Marconis Erfindung stattgefunden hatte. Die Erfindung des Radios wurde Tesla von einem amerikanischen Gericht erst Jahrzehnte später zugesprochen. Tesla kämpft nicht, sorgt nicht für seine finanzielle Basis, indem er z.B. Lizenzverstöße verfolgt, wie im Stromkrieg zieht er sich aus solchen Auseinandersetzungen meist zurück und kümmert sich um seine neuen Ideen.

Vieles, was er entdeckt und erfunden, aber nicht weiterverfolgt hat, wurde erst 100 Jahre später wiederentdeckt und relevant. In den achtziger Jahren wurden z-B. seine Patente auf Schaltelemente, die vor Interferenzen von äußeren Einflüssen schützen, für die Entwicklung der Computertechnologie gebraucht (UND Schaltkreise) (Cheney, S. 165). Michael Krause nennt seine Biografie: „Wie Nicola Tesla das 20. Jahrhundert erfand“. Seine Ideen zur Nutzung von Sonnenenergie, Wasserkraft, Erdwärme und von Abgasen aus der industriellen Produktion fanden damals keine Beachtung, sie kamen zu früh.

Cheney schildert in dem Kapitel "Das Vermächtnis", welche seiner Ideen und Experimente heute wieder aufgegriffen und weitergeführt werden, wovon, wie sie vermutet, die meisten der militärisch relevanten wie der Hochspannungs-Partikelkanone geheim stattfinden (Cheney, S.354), zumal ein Großteil seiner Unterlagen nach seinem Tod verschwunden sind und Behörden wie das FBI und der Militärische Geheimdienst an Kopien gekommen waren (Cheney Kapitel: Die verschwundenen Papiere, S.338f). Auf der Website des FBI gibt es hunderte von mittlerweile freigegebenen geheimen Papieren, die letztlich nicht zu einer Klärung der Frage führen, was mit denen passiert ist, die nicht nach Belgrad an das Tesla Museum geschickt worden sind, was deutlich macht, für wie relevant Teslas Ideen der letzten Jahre, für die er keine Patente mehr beantragt hatte und die nicht veröffentlicht wurden, von den amerikanischen Behörden gehalten wurden. Teil 1 von 3 des Vault Nikola Tesla, S.5. Bericht des FBI Agenten Foxworth
https://vault.fbi.gov/nikola-tesla
Bericht über die Durchsuchung des Hotelzimmers nach seinem Tod

Die erste große Entdeckung und sein Ideenrausch

Auf die Idee, dass man elektrische Motoren störungsfreier, schneller und haltbarerer konstruieren könnten, kam er schon während seines Studiums, als der mit Gleichstrom betriebene Gramme-Dynamo vorgeführt wurde und viele Fehler aufwies. Das war 1876, ihn beschäftige die von seinem Professor für absurd erklärte Idee, 'eine gleichförmig wirkende Kraft in eine Drehbewegung umzuwandeln' (Tesla, S. 51) immer weiter. Er machte Experimente, die nicht gelangen und erst 1882, sechs Jahre später, hat er die ‚zündende Idee‘ für die Lösung des Problems. Tesla beschreibt den Prozess des Entdeckens als durch seine beständig wiederkehrenden Krankheiten und finanziellen Probleme gefährdet. Seine Entschlossenheit dieses grundlegende Problem zu lösen, schildert er in dramatischer Weise: „In meinem Fall war es ein heiliger Schwur, eine Frage auf Leben und Tod. Ich wusste, dass ich untergehen würde, wenn ich keinen Erfolg haben würde. Jetzt fühlte ich, dass die Schlacht gewonnen war.“ (Tesla, S. 55)

Der Moment der Entdeckung des neuen Prinzips

Sie gelingt ihm völlig ungeplant 1882 auf einem Spaziergang mit einem Freund in Budapest, er beschreibt die Situation so: Angeregt durch die untergehende Sonne und eine Passage aus Goethes Faust, die ihm einfällt, findet er die Lösung für die Konstruktion des Induktionsmotors, die wie er sagt, tief im Inneren seines Gehirns lange verborgen lag und der er nun Ausdruck verleihen konnte. Mit ‚sie‘ meint er die Sonne:
„Sie rückt und weicht, der Tag ist überlebt,
Dort eilt sie hin und fördert neues Leben.“
“ Als ich diese inspirieren Worte sprach, kam die Idee wie ein Blitz daher und augenblicklich quoll die Wahrheit hervor. Ich malte mit einem Stock die Diagramme in den Sand, die ich sechs Jahre später in meiner Rede vor dem ‚American Institute of Electric Engineers‘ gehalten habe, und mein Begleiter verstand sie genau.“ (Tesla, S. 56)
Krause vermutet: „Durch die Verwendung von phasenverschobenem Wechselstrom, der ‚rückt und weicht' ‘‘, musste sein Motor rund laufen – das war die Lösung für den gesamten Wechselstrom.“ (Krause, S.61) So funktionieren alle Elektromotoren noch heute!
„Die Bilder, die ich sah, waren wundervoll scharf und klar und sie hatten die Festigkeit von Metall und Stein, und zwar derart, dass ich ihm sagte: ‚Sieh meinen Motor hier‘ “ (Tesla S.56) Hier fehlt der Satz aus dem Original in My Inventions :“See my motor here, watch me reverse it“ (Electric Experimenter 182, Teil 3, S.909), etwa: ‚Schau wie ich ihn rückwärts laufen lasse.‘
Und weiter:
„Ich kann meine Empfindungen nicht beschreiben: Ein wieder zum Leben Erweckter Pygmalion hätte nicht bewegter sein können, als er seine Statue sah. Tausend Geheimnisse der Natur, über die ich zufälligerweise hätte stolpern können, hätte ich eingetauscht für das eine, dass ich ihr gegen alle Widerstände und unter der Gefahr meines Lebens entrissen habe.“ (Tesla, S. 56)
Problematische Übersetzung, hier der Originaltext:
„A thousands secrets of nature, which i had wrested from her against all odds and at the peril of my existence“ (My Inventions 1919 Teil 3 S. 909)
Alternative Übersetzung: Tausend Geheimnisse der Natur, die ich ihr entgegen aller Widerigkeiten und unter Gefahr meiner Existenz entrissen hatte. Ich glaube nicht, dass er meinte, die Natur sei widerständig, wehre sich gegen ihre Erforschung, es war für ihn schwierig, auf diese revolutionäre Idee des phasenverschobenen Wechselstroms zu kommen.

Zähigkeit, Ausdauer, Opferbereitschaft, seine Intelligenz, das ausgeprägte Talent zur Nutzung seiner Vorstellungskraft, seine Intuition und letztlich der Glaube an seine revolutionäre Idee verhelfen ihm zu diesem Erfolg.

Es gelingt ihm erst ein Jahr später 1983, als er für die Continental Edison Company in Straßburg arbeitet, den Motor neben seiner Arbeit in einer Schlosserwerkstatt selbst zu bauen und dabei weitere Verbesserungen vorzunehmen.

Die Folgen der großen Entdeckung: Der Ideenrausch

Nachdem ihm diese grandiose Entdeckung gelungen ist und er spürt, dass er erfinden und entdecken kann und sich durchsetzen wird, kommt er in einen wahren Ideenrausch, der die nächsten Jahre anhält.

„Für einige Zeit gab ich mich vollkommen dem Hochgefühl hin, mir Maschinen vorzustellen und neue Formen zu entwickeln. Es war ein geistiger Zustand des Glücks in einer Vollkommenheit, wie ich ihn bisher in meinem Leben noch nicht erlebt hatte. Ich hatte permanent strömende Ideen, das einzige Problem war, sie auch festzuhalten. (…) In weniger als zwei Monaten entwickelte ich praktisch alle Typen von Motoren und deren Abwandlungen, die man heute mit meinem Namen verbindet (Tesla, S. 57, in My Inventions 1882 Teil 3/S.16)

In Phasen wie dieser arbeitet er ununterbrochen bis zur Erschöpfung und schläft meist nur zwischen drei und fünf Stunden.

In einem Interview mit einem Reporter des New York Herald im Jahr 1895, das Cheney zitiert, spricht Tesla von sich in der dritten Person: "So viele Ideen jagen durch seinen Kopf, daß er nur einige von ihnen festhalten kann, während sie dahinstieben, und von diesen bringt er nur für wenige die Zeit und die Kraft auf, sie zur Perfektion auszureifen. Und es geschieht sehr häufig, daß ein anderer Erfinder, der auf dieselbe Idee gekommen ist, ihm dabei zuvorkommt, eine davon auszuführen. Ah ich sage Ihnen, das tut einem in der Seele weh." ( Cheney S. 136)

“Seine Ideen in eine funktionierende Form zu bringen wurde ein immer größeres Problem für Tesla, da er fast allein arbeitete und von einem unaufhörlichen, rasenden Ideenfluss bestürmt wurde. Soweit bekannt ist, wurde sein Solarsystem nie kommerziell genutzt und er hatte dasselbe Problem mit seinen neuen Vakuum-Röhrenleuchten für die Fotografie. Robert Johnson schrieb er: ‚Ich bin zuversichtlich, für die Fotografie eine neue Lichtquelle erschlossen zu haben, die sich besser eignet als das Sonnenlicht, aber ich habe keine Zeit, sie zu perfektionieren.‘ “ (Cheney, S.152)

Ihm war es lieber, neue Ideen zu verfolgen als die alten in die Produktion zu bringen und zu vermarkten.
Patentieren lassen hat er zahlreiche, er soll zwischen 300 und 400 Patente halten, aber nicht alle seine Erfindungen hat er patentieren lassen. Als ihm sein Partner Westinghouse mitteilt, dass sie den Zuschlag erhalten haben, die gesamte Strom- und Lichtversorgung der Weltausstellung in Chicago 1893 zu installieren, was die erste und zugleich spektakuläre Präsentation von Teslas Erfindungen war, mochte er sich kaum von seinen neueren Forschungen über Radiowellen und die Erfindung eines Apparates für den ‚Rundfunk‘ lösen. (Cheney, S. 95-97). Er konnte schließlich einem Drittel der amerikanischen Bevölkerung, das die Ausstellung sah, seine Beleuchtung ‚der Stadt von morgen‘ mit Tausenden von Glühbirnen und einem mit Wechselstrom arbeitenden Netz präsentieren, was ihn schließlich doch recht glücklich und stolz machte und zur Durchsetzung des Wechselstroms erheblich beitrug. Den beständigen Strom an neuen Ideen, der Tesla antreibt, sein Ideenrausch, habe ich in der Intensität bei keinem der anderen Entdecker wiederfinden können.

Tesla prämiert die zwei Dimensionen der Triade Entdeckungspraxis: "Unbekanntes Entdecken", in diesem Fall der Prinzipien und Gesetze der Natur, stärker noch prämiert er als Ingenieur die Dimension "Neues Erfinden", den Bau von Apparaten, die diese Prinzipien nutzen; nicht aber "Neues Gründen", z.B. Firmen, die die Produktion dieser Apparate übernehmen. Hat er verstanden, wie etwas funktioniert, ist er zufrieden und wendet sich der nächsten Entdeckung zu. Das ist der "Typ der Prozessorientierung" von Entdeckern: Wenn das Entdecken nicht endet. Tesla prämiert zweitens die Produktorientierung, das Erfinden von technischen Geräten, nicht aber den dritten Typ, die Selbstverwirklichung. Die Kooperation mit Westinghouse, dem unternehmerisch begabten Erfinder, der ihm die Verbreitung und Durchsetzung phasenweise abnahm, war für ihn ideal.

Was kennzeichnet den Entdecker und Erfinder Nicola Tesla?

Der Sinn seiner Entdeckungs- und Erfindungspraxis

Teslas Autobiografie ‚My Inventions‘ beginnt mit folgenden Sätzen:
„The progressive developement of man is vitally dependent on invention. It ist now the most important product of his brain. Its ultimate purpose is the complete mastery of mind over the material world, the harnessing of the forces of nature to human needs. This is the difficult task of the inventor who is often misunderstood and unrewarded. But he finds ample compensation in the pleasing exercises of his power and in the knowlege of being one of the exceptionally privileged class without whom the race would have long ago perished in the bitter struggle against pitiless elements.
(Tesla My invention Part 1, 1919, S. 696).
„An inventor‘s endeavour ist essentially lifesaving. Whether he harnesses forces, improves devices, or provides new comforts and conveniences, he is adding to the safety of our existence.“ (1919, Part 2, S. 839).


Hier die deutsche Übersetzung: ‚invention’ mit ‚technologischer Entwicklung‘ zu übersetzen und nicht nur dieses Wort, halte ich für problematisch, deshalb das Original.
“Die permanente Entwicklung der Menschheit ist entscheidend abhängig von der technologischen Entwicklung. Sie ist das wichtigste Produkt des schöpferischen Geistes des Erfinders. Ihr letztendlicher Zweck ist die totale Herrschaft des Geistes über die materielle Welt, die Nutzung der Naturkräfte für die menschlichen Bedürfnisse. Dies ist die schwierige Aufgabe des Erfinders, der oft missverstanden wird und unbelohnt bleibt.“ (Tesla, S. 7)
„Das Streben des Erfinders ist vornehmlich der Erhalt von Leben. Ob er die Kräfte nutzbar macht, Geräte verbessert, oder neuen Komfort und neue Annehmlichkeiten schafft, so erhöht er die Sicherheit unserer Existenz“ (Tesla, S.29)

Er will einen Beitrag zur Entwicklung der Menschheit liefern, dabei geht es ihm sowohl um die Verhinderung von Kriegen, um die Nutzung der Energien der Natur für die Befriedigung des zunehmenden Energiebedarfs der Menschheit und die Entwicklung 'automatischer Maschinen', “die quasi mit einer eigenen Intelligenz ausgestattet sind und deren Erscheinen eine Revolution auslösen wird.“ (Tesla, S.114).
Er ist in der Lage, die Zonen der nächsten Entwicklung vorauszusehen, für die seine Entdeckungen und Erfindungen einen Beitrag leisten sollen. “Der ‚Funkverstärker‘ war das Ergebnis einer sich über Jahre erstreckenden Arbeit, deren Hauptziel die Lösung von Problemen war, die für die Menschheit [sic!] unendlich viel wichtiger waren als die bloße industrielle Entwicklung.“ (Tesla, S. 74). „Ich fühle mich zu dieser Voraussage (dass die Erfindung des Funkverstärkers sich für künftige Generationen als am wertvollsten erweisen wird, KRG) gedrängt, nicht so sehr durch die Überlegung, welche kommerzielle und industrielle Revolution sie sicherlich nach sich ziehen wird, sondern wegen der humanitären Folgen der vielen Errungenschaften, die sie wohl ermöglichen wird. Reine Nützlichkeitserwägungen wiegen den höheren Segen für die Zivilisation [sic!] nicht auf.“ (Tesla, S. 92)

Aus diesem Zitat wird deutlich, dass ihm das Wohl der Menschheit wichtiger als alles andere ist. Dass er sich wie auch Marie Curie und andere darin getäuscht hat, wie ihre Entdeckungen und Erfindungen verwendet werden, liegt auf der Hand. Weder die Möglichkeit zur weltweiten drahtlosen Kommunikation, noch die Erfindung abschreckender Waffen, die mit Fernbedienungen gesteuert werden, haben Kriege verhindern können (Tesla, S.100 und 115). Allerdings hatte er mit vielen seiner Visionen recht, die Drahtlosübertragung, die Gewinnung von Energie aus den Naturkräften, die Entwicklung von Robotern, die die Arbeit der Menschen erleichtern und intelligenter Systeme.
Entdecker und Erfinder haben es nicht in der Hand, ob Ihre Praxis und deren Produkte die von ihnen gewünschten Zwecke erfüllen und die erhofften Wirkungen auf die menschliche Kultur haben und sie in diesem Sinne verändern.

Tesla gibt seiner Entdeckungs- und Erfindungspraxis also einen dreifachen Sinn: Einen individuellen, einen sozialen und einen kulturellen.

Für Tesla hat seine Praxis des Entdeckens und Erfindens nicht nur einen individuellen Sinn, also Ziele zu erreichen, die er sich gesetzt hat, wie ein Weltsystem der drahtlosen Energieübertragung zu schaffen. Und er hat auch nicht nur das Wohl einzelner Menschen im Auge. Er gibt ihr einen sozialen Sinn, sie soll eine Funktion für viele Menschen, für soziale Gemeinschaften haben, ihnen ihr Leben leichter und einfacher zu machen. Und er hat den Wunsch, dass die von ihm erfundenen Artefakte, also die technischen Geräte und die Systeme die Kraft besitzen, eine Wirkung auf die Menschheit zu entfalten und die menschliche Kultur, er spricht von Zivilisation, zu verändern. Er versteht sich als kulturelles Wesen und seine Praxis auch als kulturelle Praxis, deren Zweck es ist kulturellen Sinn zu stiften. Er will die menschliche Kultur durch seine Erfindungen und technischen Artefakte bereichern. Damit stellt er sich in die Tradition vieler Entdecker vor ihm.

Zur Unterscheidung von individueller, sozialer und kultureller Praxis und von individuellem, sozialen und kulturellen Sinn der Praxis in unserer der Theorie der Triadischen Praxis hier mehr:


→ Lexikonartikel Individueller Sinn
Individuelle Praxis verfolgt Ziele, die sich der Praktiker gesetzt hat. Wirkrichtung: Praktiker auf seine Praxis
→ Lexikonartikel Kultureller Sinn
Kulturelle Praxis hat den Zweck die menschliche Kultur zu verändern. Wirkrichtung: Hier wirkt das Produkt, das Artefakt auf die Menschheit
→ Lexikonartikel Sozialer Sinn
Soziale Praxis hat Funktionen für andere Menschen, Gemeinschaften, soziale Systeme. Wirkrichtung: Der Erfinder wirkt auf die Menschen

Die Theorie der Triadischen Praxis hat ein energetisches Verständnis von Sinn: „Der Energetische Sinnbegriff behandelt den Sinn als Kraft mit einer Wirkrichtung. Sinn setzt Energie frei und verbraucht sie.“ Das kann man sehr gut an Teslas Karriere sehen, sein persönliches Ziel und die kulturellen Zwecke seiner Erfindungspraxis geben ihm immer wieder die Energie weiterzumachen und sich nicht entmutigen zu lassen, dass sie an ihm zehren kann man auch sehen. Unser energetisches Verständnis von Sinn passt im übrigen sehr gut zu Teslas Fokussierung auf Energie in seiner Entdeckungspraxis und in Bezug auf sich selbst.
→ Lexikonartikel Sinn

Es ist klar, dass alle Entdeckungen einen dreifachen Sinn haben. Aber niemals geben die drei Dimensionen der Praxis eine gleiche Kraft. Mal überwiegt der persönliche Geltungsdrang – und dann wird auch eher der Nutzen für einzelne Menschen ins Auge gefasst. Mal geht es um das Wohl von sozialen Gemeinschaften, es wird zu Nutzen eines Unternehmens, einer Glaubensgemeinschaft, der Wissenschaftlichen Community oder eines Staates usf. geforscht und entdeckt. Der Adressat der Entdeckung ist dann eine soziale Gemeinschaft. Und der Entdecker fühlt und typisiert sich als Teil dieser Gemeinschaft.

Bei Tesla steht das bessere Leben und Überleben der Gattung Mensch, also der Menschheit im Vordergrund. Er fühlte sich die meiste Zeit seines Lebens nicht zu einer Nation oder einem Volk zugehörig. Diese Prämierung dürfte also in seiner Lebensgeschichte begründet sein. Er ist in Kroatien als Sohn einer serbischen Familie geboren, musste immer wieder aus sozialen Gemeinschaften in andere hinüberwechseln, hat in vier Ländern gelebt, bis er im fünften, in Nordamerika - zumindest in den Zeiten seines Erfolges - sich als zugehörig erlebte.

Die unterschiedliche Wertschätzung der drei Typen von Sinn sagt viel über die Karriere von Entdeckern aus. Um die Triebkräfte von Entdeckern zu erkennen, lohnt es, zu erkunden, welche Sinndimension ihnen die meiste Kraft für ihre Praxis gegeben hat, gibt und in Zukunft geben kann.

Belohnungen des Entdeckers

Die Belohnung für diese Mühe und Opferbereitschaft:
„Speaking of myself , I have already had more than my full measure of the exquisite enjoyment, so much that for many years my life was little short of continuous rapture.“
(Tesla My invention Part 1, 1919, S. 696).
„Was mich betrifft, so hatte ich bereits in übervollem Maße dieses außerordentliche Vergnügen und zwar dermaßen, dass mein Leben fast einem nicht endenden Rauschzustand glich. Man hat mir bestätigt, dass ich einer der am härtesten arbeitenden Menschen sei, und vielleicht bin ich das auch. Wenn Gedankenarbeit nämlich das Äquivalent für körperliche Arbeit ist, habe ich die meiste Zeit meines Lebens mit Denken verbracht. Wenn Arbeit jedoch gemäß einer eisernen Regel als eine bestimmte Leistung in einer gegebenen Zeit gilt, dann bin ich der vielleicht einer der größten Müßiggänger. Jede Bemühung unter Zwang erfordert ein Opfer an Lebensenergie. Solch einen Preis habe ich nicht gezahlt. Ganz im Gegenteil, mein Denken hat mir immer Freude bereitet.“ (Tesla, S.7-8)

Die folgenden Sätze stammen aus dem Interview mit dem Reporter der New York Herald von 1895, einer Phase seiner Karriere, in der er immer größere Erfolge mit seinen Entdeckungen hatte und immer bekannter wurde, allerdings auch die Katastrophe erlebte, dass ein Brand sein Labor und damit einen großen Teil seiner erfundenen Apparate unwiederbringlich zerstörte.
„Im Grunde ist mein Leben sehr glücklich, glücklicher als irgendein Leben, dass ich mir vorstellen kann (…) Ich glaube, es gibt keinen Nervenkitzel, der das menschliche Herz höher schlagen lässt, als der, den der Erfinder verspürt, wenn er sieht, wie einige seiner geistigen Schöpfungen sich erfolgreich entfalten. Solche Gefühle lassen einen Mann das Essen vergessen, den Schlaf, Freunde, Liebe, einfach alles.“ (Cheney, Seite 137)

Work in Progess!

Eigenschaften des Erfinders

Autobiographie
Nikola Tesla: Meine Erfindungen, König Verlag, Greiz 2019. Es handelt sich um eine Neuübersetzung der in der Zeitschrift Electric Experimenter 1919 veröffentlichten sechsteiligen Serie „My Inventions“
Electric Experimenter 1919, Die 6 Zeitschriftenartikel sind auf der Website „The Tesla Collection“, editiert von Iwona Rudinska, zu finden http://www.teslacollection.com

Biographien
Margret Cheney: Nikola Tesla – Erfinder, Magier, Prophet – Über ein außergewöhnliches Genie und seine revolutionären Entdeckungen, Omega Verlag 1995, engl. Tesla – Man Out Of Time, Prentice Hall, Englewood Cliffs 1981
Michael Krause: Wie Nikola Tesla das 20. Jahrhundert erfand. Wiley-VCH Verlag, Weinheim 2010
Thomas Bührke: Genial gescheitert – Schicksale großer Entdecker und Erfinder. DTV Verlag 2012, „Die Umgürtelung des Erdballs mit elektrischen Impulsen“ S.59-82

tar_082, id136, letzte Änderung: 2023-12-04 14:54:56

© 2023 Prof. Dr. phil. habil. Kornelia Rappe-Giesecke